DHG-Regionaltagung Berlin-Brandenburg am Samstag, dem 22.01.2011
Am Samstag, dem 22. Januar 2011 trafen sich die DHG-Mitglieder der Region Berlin-Brandenburg zu ihrer diesjährigen Regionaltagung am bereits vertrauten Ort, dem Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge in Berlin-Lichtenberg.
Der Tagungsraum war wieder gut gefüllt, wenn auch nicht ganz so viele kamen wie im zurückliegenden Jahr.
Schon bei der Begrüßung der Anwesenden wies Klaus Poek auf einen wichtigen Teil der Tagung hin, die satzungsgemäß anstehende Wahl des Vertrauensmitgliedes und seines Stellvertreters für die nächsten drei Jahre.
Vor Beginn des ersten Vortrages versammelte sich die DHG-Jugendgruppe zu ihrer Sitzung und zur Wahl der Jugendvertreter.
Im ersten Vortrag des Tages sprach Herr Dr. Patrick Ingiliz, Hepatologe am Infektiologiezentrum Berlin über Neue Substanzen gegen Hepatitis C.
Ausgehend von den Infektionswegen der Hepatitis C hob er hervor, dass mehr als 80 % der Hämophilen, die älter als 25 Jahre sind, Hepatitis C Antikörper aufweisen. Perspektivisch wird der Anteil schwerer Komplikationen wie Leberzirrhose und Leberkarzinom bis 2035 um etwa das 10-fache ansteigen, wenn sich die Therapie der Hepatitis C nicht ändern sollte.
Eine neue Behandlungsmethode ist die STAT-C-Therapie, sich derzeit noch in der Erprobungsphase befindet.
Die Behandlung der Hepatitis C, insbesondere bei Hämophiliepatienten, ist stets eine sehr individuelle, bei der u. a. auch der Genotyp entscheidend für den Erfolg ist. Am Anfang steht zunächst die Frage der Dringlichkeit der Therapie.
Neben den Blutwerten ist der Fibrosegrad der Leber ausschlaggebend, so dass er allen mit Hepatitis C infizierten Patienten empfiehlt, sich vor einer Therapie einem Fibroscan, einer spezifischen Ultraschalluntersuchung zur Feststellung der Gewebedichte, zu unterziehen. Ältere Patienten sollten den Fibroscan sogar regelmäßig als Standarduntersuchung durchführen lassen.
Daneben behalten aber auch das Fibrotest-Verfahren, bei dem das Blut auf Serummarker untersucht wird, oder die nicht unumstrittene Leberbiopsie ihre Bedeutung bei der Diagnostik.
Günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung der Hepatitis C sind gegeben, wenn der Patient jünger als 40 Jahre alt ist, eine geringe Viruslast sowie einen günstigen Genotyp aufweist, ausreichend dosiert und ausreichend lange therapiert wird.
Da die Therapie mit teilweise erheblichen Nebenwirkungen einhergeht, sollte sich der Patient vor Therapiebeginn die Frage stellen, ob er bereit ist, solche belastenden Begleiterscheinungen auf sich zu nehmen. Am häufigsten treten anfangs grippeartige Symptome auf, im weiteren Verlauf eine Verminderung der Blutkörperchen, die u. a. zu einer Anämie ("Blutarmut") führen kann, chronische Müdigkeit und auch psychische Nebenwirkungen wie depressive Verstimmungen. Um das alles durchzuhalten, sind eine ausgeprägte Motivation des Patienten und die Bereitschaft, die ärztlichen Empfehlungen zu befolgen, unabdingbar.
Trotz aller Bemühungen blieb bislang die Behandlung bei etlichen Patienten mittelfristig erfolglos. Ziel der neuen Therapieansätze ist daher die Ausheilung der Hepatitis C andauernd zu gewährleisten.
Neben der bekannten Therapie mit Ribavirin und Interferon kommen jetzt Protease- und Polymerasehemmer wie "Teleprevir" und "Boceprevir" als die STAT C-Substanzen hinzu, die Frage, inwieweit Interferon weiterhin gegeben werden muss, kann allerdings derzeit noch nicht beantwortet werden. Diese Kombinationstherapie verspricht "dramatisch steigende Heilungschancen", so Dr. Ingiliz, jedoch sind auch bei diesem Therapieansatz die Nebenwirkungen wie z. B. großflächige Hautausschläge nicht zu unterschätzen.
Die Studien stehen kurz vor dem Abschluss und beide neuen Medikamente werden voraussichtlich im Herbst 2011 zugelassen. Die Ansprechraten auf diese Kombinationstherapie sind mit mehr als 80 % bereits deutlich höher als bei der herkömmlichen Therapie.
Im Anschluss an den Vortrag nutzen die Teilenehmer vielfach die Gelegenheit Fragen zu stellen und ausgiebig zu diskutieren.
Wer im vergangenen Jahr an der Regionaltagung teilgenommen hatte, dem war Frau Dr. Susanne Holzhauer aus der Kinderklinik der Charite, Campus Virchow-Klinikum, bereits bekannt. Sie stellte die internationale Studie zur Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen vor, die seinerzeit gerade in Vorbereitung war. Somit war bereits vor einem Jahr die Verabredung getroffen worden, auf der diesjährigen Tagung erste Ergebnisse der Studie zur Lebensqualität von Kindern mit Hämophilie vorzustellen.
Ausgangspunkt der Studie war zunächst der Versuch, Lebensqualität zu definieren, was sich als durchaus schwierig erwies, da diese individuell sehr unterschiedlich empfunden wird. Sind unter Lebensqualität "paradiesische Verhältnisse" wie einst im Garten Eden zu verstehen? Streben wir nach immer höherer Lebensqualität wie im bekannten Märchen "vom Fischer und seiner Frau", die nie genug bekommen konnte und deren Unersättlichkeit sie wieder in den tristen Urzustand zurückwarf? Lebensqualität wird meist als Diskrepanz zwischen den Erwartungen und Zielen des Menschen und seinem momentanen IST-Zustand erlebt. Dabei nimmt die Person ihre Stellung im Leben in Bezug zum sie umgebenden Wertesystem wahr und entwickelt eigene Ziele, Erwartungen und Anliegen.
Gesundheit spielt dabei eine ganz erhebliche Rolle. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist der Anteil, den die gesundheitliche Situation an der Lebensqualität hat. Gesundheit wiederum impliziert laut WHO-Definition nicht das völlige Freisein von Krankheit, sondern beschreibt eher das allgemeine Wohlbefinden.
Bei hämophilen Kindern und Jugendlichen wird die Lebensqualität insbesondere beeinflusst durch Einschränkungen, z. B. beim Sport, durch Schmerzen, die Behandlung an sich, die Angst vor Blutungen und Verletzungen, sowohl der Kinder als auch der Eltern, und durch psychosoziale Faktoren wie das Ausgeschlossen sein von Gleichaltrigen oder die Andersbehandlung durch Erwachsene.
Somit wurden für Hämophiliepatienten besondere Fragebögen entwickelt. Nachdem der in Kanada entwickelte CHO-Klat-Test in mehrere Sprachen übersetzt worden war, fand die Überprüfung der Fragebögen durch Interviews mit Hämophilen statt, danach erfolgte der Vergleich mit anderen Ländern. In Berlin nahmen 38 Patienten teil, darunter 2/3 mit einer schweren Hämophilie und 2 Inhibitorpatienten. 19 Fragebögen sind inzwischen ausgewertet.
Zu den Ergebnissen:
Setzt man die vollkommene Zufriedenheit einem Wert von 100 gleich, wurde in Deutschland ein Durchschnittswert von 70,7 erreicht, im Vergleich dazu in den Niederlanden 82,8. Auch andere europäische Länder weisen vergleichsweise bessere Ergebnisse aus. Eine Begründung für solche Unterschiede konnte bisher noch nicht hinreichend gefunden werden. Der Schweregrad der Hämophilie ist sicherlich nicht zu unterschätzen, doch darf wohl auch die Frage abgeleitet werden, ob wir in Deutschland nicht möglicherweise "auf hohem Niveau jammern". Deutlich machte die Studie aber auch, dass eine Prophylaxe die Lebensqualität nachhaltig verbessert.
Die vorliegenden Ergebnisse sind allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesichert. Die Studie wird fortgesetzt und nach einem Jahr erfolgt eine erneute Befragung.
Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Studie im Ergebnis die weitere Behandlung im Hinblick auf Notwendigkeit und Effizienz erheblich beeinflussen könnte.
Klaus Poek nutzte die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass in letzter Zeit wiederholt Befragungen von Hämophiliepatienten erfolgten, wobei nicht klar war, wer und welche Zielstellung hinter den Befragungen stand. In Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Vorstandes sollen in den Interviews keine Fragen zum individuell verwendeten Faktorenkonzentrat und zur Dosierung gestellt werden. Im Zweifelsfall sollten sich Betroffene an ihn oder an die Geschäftsstelle in Hamburg wenden.
Als nächster Tagesordnungspunkt stand nun die Wahl des Vertrauensmitglieds und des Stellvertreters auf dem Programm. Dankenswerter Weise stellten sich zwei Teilnehmer als Wahlhelfer zur Verfügung. In geheimer Abstimmung wurden nun nacheinander Vertrauensmitglied und Stellvertreter mit folgenden Ergebnissen gewählt:
Wahl des Vertrauensmitglieds | |
Abgegebene Wahlzettel: | 38 |
Klaus Poek (Berlin) | 27 Ja-Stimmen |
Olaf Krüger (Brandenburg) | 10 Ja-Stimmen |
Ungültig | 1 Stimme |
Wahl des stellvertretenden Vertrauensmitglieds: | |
Abgegebene Wahlzettel: | 35 |
Marcus Smolarek (Berlin) | 21 Ja-Stimmen |
Hans Hofmann (Brandenburg) | 12 Ja-Stimmen |
Ungültig | 2 Stimme |
Klaus Poek dankte Hans Hofmann für seine langjährige Tätigkeit für die Hämophiliepatienten, insbesondere als Vertrauensmitglied von Brandenburg und als stellvertretendes Vertrauensmitglied der gemeinsamen Region Berlin-Brandenburg.
An dieser Stelle sei auch das Ergebnis der Jugendvertreterwahl genannt. Als Jugendvertreter der Region Berlin-Brandenburg wurden gewählt: Paul Schönrath, Steffen Hartwig und Miriam Dombrowski
Jetzt war es aber an der Zeit, in die Mittagspause einzutreten. Wieder erwartete die Teilnehmer ein leckeres Büfett, welches für jeden Geschmack etwas bereithielt. Die Zeit wurde auch gern genutzt, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Erfahrungen auszutauschen
Nach der Mittagspause standen nun Beiträge aus der Arbeit in der Region auf dem Programm.
Zuerst stellten Klaus Poek und Steffen Hartwig die am 17. April 2010, dem Welthämophilietag, ins Netz gestellte Homepage der DHG-Region Berlin-Brandenburg www.dhg-berlin-brandenburg.de vor.
Klaus Poek erläuterte zunächst Intention und Werdegang der Entwicklung der Homepage für die Region, dankte allen, die dabei mitgewirkt haben und berichtete über die negativen Reaktionen im Vorstand und Vertrauensrat. Steffen Hartwig stellte im Einzelnen den Aufbau der Homepage mit den verschiedenen Rubriken vor. Beide erhielten spontanen Beifall.
Von besonderem Interesse der Anwesenden waren die Seiten über Behandlungseinrichtungen und Kooperationspartner, hier gab es eine Reihe von Ergänzungsvorschlägen.
Mathis Gröndahl berichtete über die Eltern-Kind-Gruppe "Hämokids".
Die Gruppe trifft sich zweimal jährlich und bietet neu hinzu kommenden Eltern eine geeignete Plattform, um Fragen zu stellen und Ängste in Bezug auf die Krankheit ihres Kindes anzusprechen. Zu erleben, dass hämophile Kinder ebenso wie gleichaltrige gesunde ihrem Bewegungsdrang folgen und umhertoben können, ist nur eine der positiven Erfahrungen, die die "Neulinge" machen.
Er nimmt darüber hinaus an den regelmäßig stattfindenden Seminaren "Eltern für Eltern", die u. a. von Dörte Nittka aus dem Vorstand initiiert wurden, teil.
Paul Schönrath berichtete über die Aktivitäten der Jugendgruppe, so z. B. über Besuche im Tropical Island, im Filmpark Babelsberg und über den generationenübergreifenden Bowlingabend, an dem erstmals dem Sieger ein Wanderpokal überreicht wurde. Dieser soll im November 2011 verteidigt werden.
Weiterhin ist ein gesamtdeutsches Treffen am Blossin-See geplant sowie die DHG-Jugendfreizeit.
Über die Mitgliederversammlung der DHG am 07.11.2010 in Fulda berichteten Klaus Poek, Hans Hofmann und Hans-Jürgen Knitter.
Zunächst stellte Klaus Poek das Ergebnis der Vorstandswahlen vor. Als Vorsitzender wurde Werner Kalnins mit großer Mehrheit erwartungsgemäß wiedergewählt. Denkwürdig war nur, dass abgegebene Nein-Stimmen im Nachhinein als ungültig erklärt wurden.
Im Hinblick auf die Bemühungen um eine Entschädigungsregelung für HCV-infizierte Hämophile soll ein neuer Prozess angestrebt werden, da alle Bemühungen auf politischer Ebene bisher gescheitert sind. Für Anfang Februar 2011 ist ein Gespräch mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Frau Däubler-Gmelin anberaumt worden, um die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen. Da ein Antrag auf erneuten Verzicht auf die Einrede der Verjährung seitens des Bundesgesundheitsministeriums abgelehnt worden ist, bleibt fraglich, wie Rechtsansprüche jetzt überhaupt noch geltend gemacht werden können.
Der Prozess für die Ost-Fälle ist aufgrund eines formellen Fehlers der beauftragten Anwaltskanzlei gescheitert, so dass die Betroffenen wohl ein "Sonderopfer Deutsche Einheit" erbringen werden.
Hans-Jürgen Knitter und Klaus Poek beschrieben die "gespenstische Atmosphäre" und die "Sprachlosigkeit der anwesenden Mitglieder" im Rahmen der Aussprache zum Rechenschaftsbericht des Vorstandes sowohl in der gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Vertrauensrat als auch auf der Mitgliederversammlung zu dieser Thematik. Was noch vor sechs Jahren die Gemüter erhitzte, wird nunmehr kritiklos und schweigend hingenommen.
Hans Hofmann informierte über die Wahl des Vorsitzenden des Ärztlichen Beirates und dessen Bericht. Bezüglich der Versorgung mit Faktorenkonzentraten und deren Abrechnung kam es in 2010 zu keinen wesentlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Kassen und Behandlern. Die Behandlung und deren Finanzierung auf hohem Niveau scheinen zumindest mittelfristig gesichert. Auffällig war der unterschiedlich hohe Bedarf an Faktorenkonzentraten in Europa, welcher in der Schweiz am geringsten und in Deutschland am höchsten ist. Über die Ursachen sei man sich im Unklaren.
Abschließend stellte Klaus Poek die Vorhaben für 2011 vor.
Die diesjährige Dampferfahrt soll am Sonntag, dem 21. August 2011 stattfinden.
Für Anfang September ist ein generationsübergreifendes Treffen geplant. Er wird sich um eine geeignete Einrichtung für ca. 60 Personen bemühen. Einige Teilnehmer erklärten sich bereit, das Wochenende aktiv mit vorzubereiten und auszugestalten.
Die nächste Regionaltagung ist für den 21. Januar 2012 am gleichen Ort vorgesehen.
Klaus Poek dankte den Anwesenden für ihr Kommen und wünschte ihnen für das Jahr 2011 Gesundheit und alles Gute sowie eine gute Heimreise.
Im Ergebnis der Auswertung der Tagung wurde diese im Hinblick auf Themenzusammenstellung und Rahmengestaltung wiederum überwiegend mit "sehr gut" und "gut" bewertet und als sehr gelungen und thematisch interessant eingeschätzt. Lediglich zwei Teilnehmer waren nicht zufrieden, schade nur, dass keine Hinweise zu den Gründen genannt waren.
Ein herzlicher Dank sei denen gesagt, die nach der Veranstaltung noch tatkräftig beim Aufräumen, Stühle sortieren und Kisten packen geholfen haben. Diese Unterstützung habe ich als sehr wohltuend empfunden.
Brigitte Poek