DHG-Regionaltagung am 13. Februar 2016

Interessante Themen erwarteten die DHG-Mitglieder aus Berlin und Brandenburg auf der diesjährigen Regionaltagung, die wie in den Jahren zuvor im Evangelischen Krankenhaus Herzberge in Berlin-Lichtenberg stattfand. So war es auch nicht überraschend, dass im Clubraum schnell alle Plätze besetzt waren und immer wieder zusätzliche Stühle hereingeholt werden mussten. Über 75 Mitglieder und Angehörige waren gekommen, die Zahl der Hämophilie-Behandler, die allesamt auch eine Einladung erhalten hatten, beschränkte sich aber leider nur auf Dr. Klamroth aus dem Berliner Vivantes-Klinikum Friedrichshain. – Schade eigentlich!

 

Nach einer kurzen Begrüßung der Anwesenden stellte Dr. Uwe Schlenkrich, vormals lang- jähriges Vorstandsmitglied, Vertreter der DHG im Arbeitskreis Blut und im Europäischen Hämophilie-Konsortium (EHC) neueste Trends in der Behandlung von Hämophilie- patienten vor.

 

Neben neuen Medikamenten zur Behandlung der Hepatitis C stellte er die Zulassung neuer Gerinnungsfaktoren in Aussicht. Erste Forschungserfolge weisen auf die Möglichkeit der Umwandlung einer schweren Hämophilie in eine milde Form über den Weg der Verlängerung der Halbwertzeit hin. Auch auf dem Gebiet der Gentherapie, bei der das kranke Gen durch ein gesundes ersetzt werden soll, läuft derzeit ein Forschungsprojekt an der Universität Würzburg. Wann jedoch hier Ergebnisse vorliegen, kann noch nicht abgeschätzt werden. Mit einer solchen Behandlung dürfte wohl erst mittelfristig in einigen Jahren zu rechnen sein.

 

Die aktuelle Verbreitung des durch Stechmücken überwiegend in Mittel- und Südamerika übertragene Zika-Virus lässt die Frage aufkommen, ob eine Infektion über Faktorenkonzentrate möglich wäre, zumal als Infektionswege sexuelle Kontakte und Übertragung durch Blut beschrieben wurden. Durch Ausschluss von Blutspendern aus den beschriebenen Endemie-Gebieten und die Virusinaktivierung der Faktorenkonzentrate geht die Wahrscheinlichkeit der Übertragung gegen Null.

Um sich weiter zu dieser Thematik informieren zu können, verwies Dr. Schlenkrich auf Veröffentlichungen der EHC, der Homepage der DHG Berlin-Brandenburg und auf Facebook.

 

Klaus Poek begrüßte nun einen besonderen Gast, - Ben, den Freund aller Kinder.

 

Ben ist ein überaus geduldiger und leidens- fähiger Freund, wenn es einerseits um das Erlernen der Faktorensubstitution geht und andererseits auch ein verständnisvoller Zuhörer und Trostspender. Über die Geschäftsstelle der DHG in Hamburg kann er zu einem Unkosten- beitrag von 20 € angefordert und in die Familie integriert werden.

 

Was übrigens die mitgekommenen Kinder betraf: sie beschäftigten sich unter der bewährten Obhut von Frau Birgit Gummlich im Nebenraum, wo zu keinem Zeitpunkt auch nur ein Anflug von Langeweile aufkam.

 

Chefarzt Dr. Robert Klamroth, der den meisten Anwesenden entweder als Behandler oder als Referent aus den zurückliegenden Tagungen bekannt war, referierte nun zum Notfallmanagement bei Hämophilie- patienten.

 

Nach einer kurzen Beschreibung der Basics zu Blutung und Blutgerinnung, die ja allgemein als bekannt vorausgesetzt werden dürften, gab er wertvolle Tipps zum Verhalten in Notfallsituationen.

 

Bei einer Verletzung empfahl er eine sofortige Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors. Bei einer Substitution von 2000 IE Faktor VIII ist mit dessen Anstieg auf 60 % zu rechnen und damit schon ein wirksamer Schutz erreicht. Beim Faktor IX setzt die Wirkung aufgrund der kleineren Moleküle und der Verbreitung im gesamten Körper erst verzögert ein. Als „Faustregel“ gilt: 2000 IE bei einem Körpergewicht von 70 kg. Bei mehr als 100 kg reichen die 2000 IE jedoch nicht aus, hier empfahl er 3000 IE zu substituieren.

 

Sollte jemand nicht in der Lage sein, die Substitution selbst auszuführen, ist es unbedingt erforderlich den Hämophilieausweis und das Faktorenkonzentrat in die jeweilige Rettungsstelle mitzunehmen, da nicht alle Krankenhäuser die Gerinnungspräparate vorrätig haben. Im Ausweis sollte unbedingt auch die Notfallnummer für Rückfragen im Hämophiliezentrum vermerkt sein.

 

Sofortiges Reagieren ist bei plötzlich auftretenden Symptomen, z. B. Atembeschwerden bei Rachenblutungen angezeigt, da hier akute Erstickungsgefahr besteht.

 

Bei Muskelblutungen ist eine längere Resorptionszeit zu beachten, hier sollte zunächst im Abstand von 6 Stunden, später von 12 Stunden substituiert werden.

 

Vor und nach Zahnextraktionen ist ein Faktorenspiegel von 100 % erforderlich, hier reicht eine Prophylaxe keinesfalls aus.

 

Bevor mit einer grundlegenden Diagnostik begonnen wird, sollte, um das Risiko einer ausgeprägten Einblutung einzugrenzen, im Zweifelsfall nach einer Verletzung unbedingt sofort substituiert werden.

 

Nachdem die Anwesenden die Möglichkeit genutzt hatten, Fragen zu stellen, setzte Dr. Klamroth mit Informationen über neue Präparate und Therapieformen bei der Hämophiliebehandlung fort. Er verwies eingangs darauf, dass sich die Behandlung der Hämophilie in letzter Zeit enorm entwickelt hat. Sie sei ohne Frage teuer, aber erfolgreich und auf das Ziel, ein weitgehend „normales“ Leben führen zu können, gerichtet. Durch eine regelmäßige Prophylaxe können spontane Blutungen verhindert werden, traumatisch verursachte Blutungen allerdings nicht.

 

Aktuell werden in der Forschung drei Wege zur Verbesserung der Therapie beschritten.

Erste Erfolge zeigen sich in der Verlängerung der Halbwertszeit im Abbau des Faktors durch Molekülvergrößerung des Faktors oder Bindung an Größere Trägereiweiße. Für die Behandlung der Hämophilie B ist voraussichtlich noch in diesem Jahr mit der Zulassung eines Präparates mit verlängerter Halbwertszeit zu rechnen, welche die Lebensqualität durch Verminderung der Substitutionshäufigkeit erheblich verbessern wird.

 

Schwieriger gestaltet sich jedoch die Behandlung der Hämophilie A. Seit mehr als einem Jahr laufen Tests an insgesamt 18 Patienten mit Hämophilie A.

 

Über den Weg der Komplexierung, wobei der Faktor VIII dafür sorgt, dass Faktor IX und Faktor X zusammenfinden, kann der Vorgang der Blutgerinnung verbessert werden. Man hofft, ein solches Präparat, welches dann einmal wöchentlich subcutan injiziert werden müsste, im Jahr 2018 auf den Markt zu bringen.

 

Mittelfristig bietet auch die Herunterregelung von Antithrombin in der Therapie der Hämophilie A und B einen vielversprechenden Ansatz. Im Ergebnis wäre eine subcutane Faktorensubstitution einmal monatlich ausreichend. Dazu laufen derzeit Tests an 15 Patienten.

Die Möglichkeit einer oralen Applikation über Tabletten erweist sich aus heutiger Sicht als eher unwahrscheinlich.

 

Inwieweit die Gentherapie ein möglicher Weg sein kann, ist noch nicht klar erkennbar. Gegenwärtig wird diese Methode, bei der ein gesundes Gen mittels eines Virus eingeschleust wird und den Faktor IX zu 5 bis 15 % bildet, im Vivantes Klinikum Friedrichshain an einem Patienten getestet.

 

Dr. Klamroth fasste zusammen, dass In den Jahren 2016 und 2017 neue Produkte mit verlängerter Halbwertszeit auf den Markt kommen werden, mittelfristig können alternative Methoden hinzukommen.

 

In einer aufgrund der fortgeschrittenen Zeit kurzen Diskussionsrunde wurde nahezu einvernehmlich betont, dass Hämophiliepatienten den hohen Entwicklungsstandard der Behandlung in Deutschland sehr zu schätzen wissen. Klaus Poek verwies nochmals darauf, dass jeder Patient ein nahezu normales Leben führen und inzwischen sogar eine hohe Lebenserwartung haben kann. Es muss jedoch im Blick auf die hohen Kosten für die Substitutionstherapie und darüber hinaus gehende Behandlungen, die von der Solidargemeinschaft aufgebracht werden, immer wieder verdeutlicht werden, dass nicht alles, was machbar ist – wie z. B. Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko - , auch ausgeführt werden muss.

 

Nun kam nochmals Dr. Uwe Schlenkrich mit dem Thema Hämophilie weltweit zu Wort.

 

Ausgehend von der Behandlungssituation in Deutschland, die allgemein durch einen hohen Qualitätsstandard gekennzeichnet ist ging er zunächst auf die Situation in Europa ein. Hier treten erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern Westeuropas und Osteuropas auf. Erfolgt die Behandlung in den westeuropäischen Ländern auf annähernd gleichem Niveau, ist sie in den osteuropäischen Ländern, insbesondere Albanien, Rumänien, Bulgarien und Georgien als eher schlecht zu bezeichnen, blickt man auf den Verbrauch an Gerinnungsfaktoren. Weltweit werden die Unterschiede noch signifikanter. Exemplarisch beschrieb Dr. Schlenkrich die Situation in den arabischen Ländern. Während in den reichen Ländern wie Saudi Arabien, Iran oder Algerien die Versorgung mit Gerinnungsfaktoren durchaus als gut beschrieben werden kann, findet in Ländern wie Sudan, Pakistan und Afghanistan kaum eine Behandlung der Hämophilie statt. In Staaten wie Uganda, Ghana und Nigeria stehen zwar Gerinnungsfaktoren zur Verfügung, sind jedoch so teuer, dass die Betroffenen sich diese finanziell nicht leisten können. Die Folgen mag man sich gar nicht vorstellen.

Die WFH (World Fedetation of Hemophilia) hat zwar Programme zur Verbesserung der Situation von Hämophiliepatienten gerade in den unterversorgten Ländern gestartet, jedoch ist der Weg zu einer annähernd ausreichenden Behandlung aufgrund politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten und Verwerfungen wohl noch sehr weit.

 

Nun war es Zeit für die Mittagspause. Ein ansprechendes Büfett, welches für jeden Geschmack etwas zu bieten hatte, wartete auf die Teilnehmenden. Auch wenn mehr Mitglieder gekommen waren als sich angemeldet hatten, reichte es für alle.

 

Zudem bot die Pause auch gute Gelegenheit, mit den anderen ins Gespräch zu kommen und Gedanken und Erfahrungen auszutauschen.

 

Leider verabschiedeten sich jetzt bereits einige Mitglieder. Vielleicht war das Wetter an diesem Sonnabend einfach zu einladend zu einem Stadtbummel (?)

 

Während sich die Jugendgruppe mit Steffen Hartwig traf, um ihre Themen zu besprechen, berichtete Martin Heuer, Sprecher des Jugendrates der DHG, über geplante Aktionen der Jugendvertreter zum Welt- hämophilietag 2016.

 

Der Welthämophilietag, der in jedem Jahr am 17. April begangen wird, veranlasste die Jugendvertreter der DHG zu gemeinsamen Aktionen mit dem Ziel, die Allgemeinheit auf Blutgerinnungsstörungen aufmerksam zu machen, über die Hämophilie als Krankheit aufzuklären und nicht zuletzt auch neue Mitglieder zu gewinnen.

 

So sollen in diesem Jahr an verschiedenen noch festzulegenden Orten wie z. B. in Hamburg, im Ruhrgebiet und in Sachsen verschiedene Aktionen starten. Gedacht wird an Info-Stände, Flashmobs, Basteln mit Kindern, Verteilen von Give-aways und Aufsteigen lassen roter Luftballons. Interessierte Jugendliche können sich über ihre Jugendvertreter anmelden.

 

Neben den Aktionen zum Welthämophilietag planen die Jugendvertreter eine Fahrradtour zum EHC-Kongress. Ansprechpartner hierfür ist Karsten Kirchner, der über die DHG-Geschäftsstelle erreichbar ist.

 

Martin Heuer stellte in einem weiteren Beitrag die Kinder- und Jugendfreizeit am Edersee vor, zu der in diesem Sommer vom 24.07. bis 06.08.2016 noch freie Plätze verfügbar sind. Für Kinder bis zum 14. Lebensjahr und Jugendliche von 15 bis 17 Jahren sind sowohl kombinierte als auch getrennte Veranstaltungen geplant. Neben Spiel und Spaß, Fahrradtouren, Wanderungen, Campen und Lagerfeuer ist auch das Spritzen lernen einer der wichtigsten Punkte.

Die Kosten betragen 350 € pro Teilnehmer für 2 Wochen. Freunde können mitgebracht werden. Bei einem selbstgestalteten Film der Teilnehmer des vergangenen Jahres zum Song „Ein Hoch auf uns“ bedauerten nicht wenige der Anwesenden, das Zugangsalter - bereits teilweise weit - überschritten zu haben.

 

Steffen Hartwig stellte die Homepage der DHG-Region Berlin-Brandenburg Internet-Adresse www.dhg-berlin-brandenburg.de vor. Rund 2000 Mal im Monat wird auf diese Seite zugegriffen.

 

Klaus Poek berichtete nun noch über einige relevante Themen aus der gemeinsamen Sitzung von Vorstand und Vertrauensrat der DHG im Herbst 2015 in Hannover.

 

Die Stiftung Humanitäre Hilfe für HIV-infizierte Hämophile wird noch bis Ende 2017 Zahlungen an die Betroffenen leisten. Danach erfolgt entweder die Einstellung der Zahlungen oder es wird eine Zustiftung geben. Dazu laufen aktuell die Verhandlungen.

 

Im Blick auf eine finanzielle Regelung für HCV-infizierte Hämophiliepatienten gibt es weiterhin noch kein Ergebnis. Die HCV-Infektion stellt gegenwärtig die Haupttodesursache bei Hämophilen dar. Gespräche zu einer Entschädigungsregelung verlaufen, wenn überhaupt, mehr als stockend. Die Übergabe der Unterschriftensammlung an die zuständige Staatssekretärin war zum Sitzungstermin noch nicht erfolgt. Eine Anhörung im Petitionsausschuss soll stattfinden.

 

Mit der steigenden Lebenserwartung der Hämophiliepatienten rücken zunehmend Alterserkrankungen in den Fokus der Betrachtungen. Gravierende Probleme sind z. B. zu erwarten, wenn Hämophile in stationären Pflegeeinrichtungen betreut werden und substituiert werden müssen. Pflegekräfte dürfen die i. v. Substitution aus rechtlichen Gründen nicht durchführen. Im Rahmen der Entwicklung eines neuen Pflegeberufegesetzes will sich die DHG um eine gesetzliche Regelung bemühen, welche es ermöglicht, diese Kompetenz auf Pflegefachkräfte übertragen zu lassen.

 

Der Schatzmeister Jürgen Lohse war vor Beginn der gemeinsamen Sitzung von seinem Amt zurückgetreten. Peter Östreicher nimmt bis zur nächsten Wahl dessen Aufgaben wahr.

Der Vorsitzende des Ärztlichen Beirates berichtete über Entwicklungen in der Behandlung.

Die nächste gemeinsame Sitzung findet am 29. Oktober 2016 statt, die nächste DHG-Mitgliederversammlung am 30. Oktober 2016 in Fulda. Gleichzeitig begeht die DHG ihr 60-jähriges Jubiläum.

 

Für die Mitglieder der Region Berlin-Brandenburg wird es am 04. September 2016 die Dampferfahrt geben, Anfang November den Bowlingabend und am 12. Februar 2017 die nächste Regionaltagung.

 

Aus den zur Auswahl gestellten Terminen für das 3. Treffen der Generationen hatte sich die „absolute Mehrheit“ der Anwesenden für das Wochenende vom 30. Juni bis 02. Juli 2017 ausgesprochen. Zu allen Veranstaltungen werden zeitnah die Einladungen versandt. Die Termine werden zudem auf der Homepage veröffentlicht.

 

Abschließend dankte Klaus Poek allen Anwesenden für ihr Kommen und wünschte ihnen für das Jahr 2016 beste Gesundheit und alles Gute – bis zum nächsten Wiedersehen.

 

Brigitte Poek

 

Seite drucken

Aktuelles

Kickern - aber so richtig!
Berlin sucht Nachwuchs- spielerinnen und -spieler für Tischfußball-Bundesligateam
Ausbildung im Jugend- leistungszentrum durch amtierende Weltmeister in Berlin-Mitte kostenfrei