Regionaltagung Berlin-Brandenburg am 10. Februar 2018

Das Programm für die diesjährige Regional- tagung hatte große Resonanz bei den DHG-Mitgliedern der Region Berlin-Brandenburg ausgelöst, so dass schon kurz nach Beginn der Veranstaltung zusätzliche Stühle benötigt wurden und der Tagungsraum mehr als gut gefüllt war.

 

Nachdem Klaus Poek als Vertrauensmitglied die Anwesenden begrüßt hatte, würdigte er das langjährige Wirken von Hans Hofmann, der über einen langen Zeitraum insbesondere in der Region Brandenburg als Ansprechpartner für Hämophiliepatienten und deren Angehörige tätig und im September 2017 nach längerer Krankheit verstorben war.

 

Der Vormittag wurde dann von CA Dr. Robert Klamroth aus dem Vivantes-Klinikum Berlin-Friedrichshain mit drei Fachvorträgen gestaltet. Zunächst berichtete er über Neue Präparate – erste Erfahrungen im wirklichen Leben.

 

Dabei stellte er verschiedene Wege zur Verbesserung der Behandlung von Hämophilie- patienten vor. Oberstes Ziel ist und bleibt die Vermeidung von Blutungen und unerwünschten Nebenwirkungen. Dabei muss für jeden Patienten individuell sowohl die richtige Dosis als auch das richtige Substitutionsintervall gefunden werden. Dadurch kann eine normale Gelenkfunktion weitgehend erhalten werden, so dass die Patienten Schule, Beruf und Freizeitaktivitäten meistern und am sozialen Leben nahezu uneingeschränkt teilnehmen können.

 

Die Weiterentwicklung verschiedener Therapieansätze eröffnet Hämophiliepatienten völlig neue Möglichkeiten bei der Behandlung . Hier zeichnet sich die Gentherapie als ein möglicher Weg ab (Lesen Sie hierzu auch im Bericht über die Regionaltagung 2017). Des Weiteren lassen erste Forschungsergebnisse auf die Möglichkeit der subcutanen Faktorsubstitution – vergleichbar mit der Insulininjektion bei Diabetikern – hoffen. Ein dritter Weg könnte über die Beeinflussung der Funktion des Blutgerinnungssystems führen.

 

Präparate mit verlängerter Halbwertzeit können schon heute die Substitutionsintervalle verlängern, so konnte bei Hämophilie B -Patienten erreicht werden, dass wöchentlich bis zu eine Substitution bereits den gewünschten Erfolg bringt, bei Hämophilie-A-Patienten konnten die Abstände zumindest verlängert werden. Auch wenn diese Therapie im Vergleich zur herkömmlichen teuer ist, lässt sie sich gegenüber den Krankenkassen mit Blick auf die längerfristigen positiven Auswirkungen hinlänglich begründen.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind in der Tat eindrucksvoll und wir dürfen sicher gespannt sein, was es dazu im nächsten Jahr zu berichten gibt.

 

Aktuell ist die auf die individuelle Situation des Patienten abgestimmte Prophylaxe der Königsweg. Begonnen werden sollte bereits beim Säugling vor der ersten Blutung, ca. um den ersten Geburtstag. Dabei kommt der Schulung der Eltern eine große Bedeutung zu, bevor die Kinder dann lernen sich selbst zu substituieren.

 

Die neuen Entwicklungen werden wohl eine Reihe von Patienten über einen Wechsel ihres Präparates nachdenken lassen. Dr. Klamroth riet dazu, bei gut funktionierender Prophylaxe eher nicht zu wechseln, ein akzeptabler Grund für den Wechsel wäre jedoch eine geringere Substitutionshäufigkeit beim neuen Präparat.

 

Der folgende Vortrag zu Hämophilie und Erkrankungen im fortgeschrittenen Alter richtete sich insbesondere an die älteren Teilnehmer.

 

Die stetige Verfügbarkeit von Faktorenkonzentraten, die Möglichkeit der Heimselbst- behandlung in Verbindung mit der spezialisierten Betreuung in Hämophiliezentren, die Durchführung der Prophylaxe sowie erfolgreich verlaufende Therapien der chronischen Hepatitis C und der HIV-Infektion haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einer deutlich erhöhten Lebenserwartung bei guter Lebensqualität geführt. Hämophiliebehandlung im fortgeschrittenen Erwachsenenalter beinhaltet jetzt zunehmend die Überwachung der hämophilieuntypischen Begleiterkrankungen im Zusammenwirken mit dem Hausarzt.

 

Neben der Behandlung der Hepatitis C sollte insbesondere auf die Bekämpfung des Bluthochdrucks geachtet werden. Bewegungsmangel, Übergewicht, Diabetes, Rauchen, fettreiche Ernährung stellen auch bei Hämophiliepatienten Risikofaktoren für eine Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) dar und erhöhen den Blutdruck. Ein Bluthockdruck steigert das Risiko einer Hirnblutung. Dr. Klamroth empfahl daher, neben der Blutungsprophylaxe regelmäßig den Blutdruck zu kontrollieren und ggf. vom Hausarzt behandeln zu lassen. Erkrankungen des Herzens wie Vorhofflimmern erhöhen zusätzlich das Schlaganfallrisiko. Also: achten Sie auf Ihr Herz und Ihren Kreislauf!

 

Mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko einer Krebserkrankung. Besonders häufig treten Karzinome in der Lunge, dem Darm, der Prostata und bei Hämophiliepatienten mit chronischer Hepatitis C auch Karzinome der Leber auf. Hier riet Dr. Klamroth regelmäßig den Urologen aufzusuchen sowie in regelmäßigen Abständen eine Koloskopie (Darmspiegelung) vornehmen zu lassen, um ggf. Tumore bereits im Frühstadium erkennen zu können, was die Behandlungserfolge deutlich verbessert.

 

Nach einer kurzen Pause sprach Dr. Klamroth zu Notfallsituationen und Sofort- maßnahmen bei hämophilen Kindern.

 

Welche Blutungen sind gefährlich? Es sind vorrangig Blutungen im Kopf. Das erste Risiko stellt bereits die Geburt dar. Daher ist z.B. die Anwendung einer Saugglocke oder Geburtszange kontraindiziert, wenn das Vorliegen einer Hämophilie beim Kind bekannt ist. Des Weiteren können Unfälle mit Kopfverletzungen wie z. B. Fahrradunfälle Hirnblutungen verursachen. Auch tiefe Muskelblutungen sind im Kindesalter nicht selten. Die Kinder äußern dann Schmerzen in den betroffenen Gliedmaßen und gehen in eine Schonhaltung über.

 

Das A und O stellt jetzt eine schnelle Faktorengabe dar. Die Faustregel lautet: doppelte Prophylaxe-Menge, d. h. 30 – 50 IE / kg Körpergewicht.

 

Im Weiteren gilt die PECH-Regel:

  • Pause (Entlastung)
  • Eis
  • Compression
  • Hochlagern

 

Um rechtzeitig eingreifen zu können, sollten Eltern immer ein „Notfallpäckchen“ mit dem eigenen Faktorenkonzentrat greifbar haben, um sofort substituieren zu können und ggf. den Notarzt im Vivantes-Klinikum über die Notfall-Nr. 0151 1260 8481 des Hämophiliezentrums unverzüglich informieren.

 

Neben Kopfverletzungen mit den typischen Symptomen Kopfschmerzen, Erbrechen, Krämpfe, Verwirrtheit, Sprachstörungen, Lähmungen) spielen Nierenblutungen (Blut im Urin), Psoasblutungen (Schmerzen in der Leiste)- und Nasenbluten eine eher nachgeordnete Rolle und treten seltener auf.

 

Eltern sollten grundsätzlich bei unbekannten Symptomen immer auch an eine Blutung denken. Der Austausch mit anderen Eltern kann für das Erkennen von Blutungen und das Ableiten von Handlungsstrategien hilfreich sein. Solche Kontakte hatten in der Vergangenheit und haben auch jetzt neben allen anderen Informationsquellen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

 

Vor der Mittagspause konnten sich die Teilnehmenden nun noch einige Impressionen vom 3. Treffen der Generationen in Rheinsberg 2017 anschauen. Einerseits wurden Erinnerungen wach und andererseits bekam der eine oder andere vielleicht Lust, beim nächsten Mal mit dabei zu sein.

 

Die Mittagspause bot jetzt neben einem schmackhaften Büfett auch Gelegenheit, zum bisher Gehörten miteinander ins Gespräch zu kommen und sich über persönliche Dinge auszutauschen. Schade, dass einige der Anwesenden nach dem Essen die Gelegenheit nutzten sich mehr oder weniger zu verab- schieden. Dies war umso bedauerlicher, da nach der Pause die in nächster Zeit anstehenden Änderungen im Schwer- behindertenrecht angesprochen wurden, die für eine Vielzahl von Hämophiliepatienten zu einer Verschlechterung des GdB führen werden.

 

Klaus Poek bat die verbliebenen Teil- nehmenden mit der inzwischen gut bekannten Glocke zur Fortsetzung der Tagung, die Kleinen wandten sich wieder ihrem Spiel zu und die Großen folgten dem Vortrag von Klaus Poek zu Änderungen im Schwer- behindertenrecht - neue Einstufungs- kriterien beim GdB für Hämophilie- patienten?!.

 

Zum Verständnis der aktuellen Situation, wie sie sich mittlerweile abzeichnet, war zunächst ein kurzer Rückblick in die Historie des Schwerbehindertenrechts erforderlich. Mit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechts- konvention entstand für die Bundesrepublik Deutschland Handlungsbedarf im Blick auf die Inklusion schwerbehinderter Menschen. Das Bundesteilhabegesetz griff im Jahr 2016 diese Forderungen auf und stellte sie auf eine rechtliche – und damit verbindliche - Ebene.

 

Die Einstufung schwerbehinderter Menschen wird danach anhand anderer Kriterien vorgenommen als bisher, wobei die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben das ausschlaggebende Kriterium werden dürfte, was aus jetziger Sicht schwierig zu handhaben scheint. Bei Betroffenen mit einer befristeten Einstufung des GdB dürften die neuen Kriterien dann möglicherweise zu einem erheblichen Absenken des GdB führen. Ob Schwerbehinderte mit einer unbefristeten Anerkennung von diesen Änderungen betroffen sein könnten, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.

 

Über Stellungnahmen oder Aktivitäten vonseiten des Vorstandes und des Ärztlichen Beirates zu dieser brisanten Problematik war bis Anfang Februar leider wenig Konkretes in Erfahrung zu bringen.

 

Lesen Sie dazu mehr in der Präsentation „Änderungen im Schwerbehindertenrecht".

 

Aus Hamburg war Dragana Jankovic angereist, um über Aktuelles aus der DHG-Geschäftsstelle zu informieren.

 

Zunächst stellte sie das Team der Geschäfts- stelle vor, Ingo Seifert als langjährigen Geschäftsstellenleiter, Dr. Anna Griesheimer und sich selbst. Sie berichtete über die vielfältigen Aufgaben innerhalb der DHG, u a. die Öffentlichkeitsarbeit über Homepage, Hämophilieblätter und elektronische News- letter, politische Lobbyarbeit, internationale Beziehungen im Rahmen der EHC, WFH und Twinning-Programme sowie eine Reihe über- regionaler Veranstaltungen wie Kinder- und Jugendfreizeiten am Edersee, Mehr- generationentreffen, Eltern-Kind-Wochenenden, Aktivveranstaltungen, Konduktorinnen- treffen, Willebrand-Wochenenden u.v.m.

 

Im Anschluss gab Steffen Hartwig einen kurzen Überblick über die Arbeit des Vorstands der DHG. So wurden diverse Arbeitsgruppen zu spezifischen Fragestellungen gebildet und neue Moderationsregeln, die den unangenehmen Beigeschmack einer Zensur haben, für die Homepage der DHG festgeschrieben. Die Entschädigungszahlungen an die HIV-infizierten Hämophiliepatienten sind künftig gesichert, um eine Regelung für HCV-Infizierte sollen weitere Bemühungen folgen. Dafür wurden Fragebögen an die Mitglieder verschickt, deren Qualität jedoch in Frage gestellt werden muss.

 

Klaus Poek gab zum Schluss die Termine der nächsten Veranstaltungen für die Region Berlin-Brandenburg bekannt:

  • 26. August 2018 Dampferfahrt
  • 16. Februar 2019 Regionaltagung

Dafür werden rechtzeitig die Einladungen versandt. Dennoch ist ein Vormerken sicherlich nützlich für die eigene Terminplanung.

 

Er bat um Abgabe der Evaluationsbögen für die Tagung, die überaus positiv bewertet wurde, dankte allen noch gebliebenen Anwesenden für ihr Kommen und Verbleiben bis zum Ende und wünschte allen eine gute Heimreise und für das beinahe noch neue Jahr beste Gesundheit – in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

 

Brigitte Poek